Die SPD als Arbeitgeber

In den achtziger Jahren war ich ein paar Jahre Mitglied der SPD. Als mir Zweifel am "sozial" im Parteinamen kamen, bin ich ausgetreten. Hier mein damaliges Schreiben:


Norbert Schnitzler
Mitglied Nr. 54282215 21 12 013

Zeppelinstr. 31
5100 Aachen
Tel 0241-574516
den 9.1.1988 [war aber 89]

 

Genossinnen und Genossen!

Mein guter Vorsatz zum neuen Jahr: Ich trete aus der SPD aus. Die Ursachen sind nicht in sich wandelnden Zielen von mir oder der Partei zu suchen, sondern in einem Ereignis, bei dem der soziale Anspruch unserer Partei nicht mit ihrem eigenen Verhalten harmonisiert.

Ich hörte vor einigen Wochen zufällig im Autoradio, daß die Bundestagsfraktion eine Mitarbeiterin fristlos entlassen hat, weil sie einige private Briefe auf Kosten der Fraktion frankiert hat. Auch wenn diese Entlassung wohl dem Bericht zufolge in eine fristgerechte mit einigen Monatsgehältern Abfindung umgewandelt werden muß´, finde ich das Vorgehen der SPD grausam und unsozial, da die betroffene Mitarbeiterin mit 51 Jahren und im Hinblick auf die nicht zu verheimlichende Entlassung wohl kaum wieder einen Arbeitsplatz finden können wird. Das Vorgehen der SPD erinnert mich an rigide frühkapitalistische "Bureau-Ordnungen", aber nicht an Gerechtigkeit und Solidarität. Obwohl inzwischen schon einige Wochen vergangen sind, kann ich mich nicht beruhigen und ziehe nun die Konsequenz und kehre dieser Partei den Rücken. Bitte informiert den Bezirk Mittelrhein, keine Beiträge mehr abzubuchen; ich informiere selbst den Ortsverein, an dessen Sitzungen teilzunehmen mir wegen der rücksichtslosen Raucher(innen) leider nicht möglich war.

Gruß

Norbert Schnitzler


Die Abt. I - Referat Organisation antwortete am 25.1.1989:

Sehr geehrter Herr Schnitzler,

wir bestätigen den Eingang Ihres Schreibens, mit dem Sie Ihren Austritt aus unserer Partei erklären.

Wir haben Ihr Schreiben mit der Bitte um weitere Bearbeitung an den für Sie zuständigen Unterbezirk weitergeleitte. Die Adresse lautet:

SPD-Unterbezirk Aachen
Bahnhofsstr. 23
5100 Aachen

Bitte senden Sie Ihr Mitgliedsbuch ebenfalls an o.g. Adresse.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Dagmar Richarz


In diesem Zusammenhang zitiere ich einen scherzhaften Brief, den ich später fand

An alle Mitarbeiter

Betreff:
Arbeits- bzw. Dienstbefreiung in bestimmten Fällen
(Anhang zur Arbeitsordnung in Verbindung mit dem geltenden Tarifvertrag)

Krankheitsfall:

Krankheit ist keine Entschuldigung. Auch ein Attest Ihres Arztes ist noch kein Beweis dafür, daß sie krank sind. Da Sie in der Lage waren, einen Arzt aufzusuchen, hätte Sie auch zur Arbeit kommen können.

Todesfall in der Familie:

Ein solcher Fall wirkt nicht enschuldigend. Für den Verblichenen können Sie nichts mehr tun und jemand anderes kann genau so gut die notwendigen Maßnahmen treffen. Wenn Sie die Beerdigung auf den späten Nachmittag legen, geben wir Ihnen gern eine halbe Stunde früher frei, vorausgesetzt, Sie sind mit Ihrer Arbeit fertig.

Operation:

Chirurgische Eingriffe an unserern Arbeitskräften sind untersagt. Wir haben Sie so eingestellt, wie Sie sind. Die Entfernung oder Veränderung eines Teiles von Ihnen verstößt gegen den vereinbarten Arbeitsvertrag.

Silber- oder Goldhochzeit:

Für derartige Anlässe kann keine Freistellung gewährt werden. Wenn Sie 25 oder gar 50 Jahre mit ein- und demselben Menschen verheiratet sind, dann können Sie froh sein, zur Arbeit gehen zu dürfen.

Geburtstag:

Daß Sie geboren wurden, ist sicher nicht Ihr Verdienst. Deshalb sehen wir keine Veranlassung, Ihnen in solchen Fällen eine Freistellung zu gewähren.

Geburt eines Kindes:

Für derartige Fehltritte unserer Angestellten ist natürlich keine Arbeitsbefreiung vorgesehen; Sie hatten ja schon Ihren Spaß.

Eigener Todesfall:

Hier dürfen Sie mit unserem Verständnis rechnen, wenn Sie

  1. uns zwei Wochen vorher über Ihr Ableben informieren, damit wir rechtzeitig eine neue Kraft einstellen können;
  2. spätestens bis 8:00 Uhr morgens anrufen, damit wir entsprechende Maßnahmen einleiten können;
  3. Ihre und die Unterschrift Ihres Arztes vorlegen, daß Sie verstorben sind. Liegen beide Unterschriften nicht vor, werden Ihnen die Fehlzeiten vom Jahresurlaub abgezogen.

 

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