Der Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler

Horst Köhler
Andrea Nahles
Georg Schramm

Horst Köhler

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Eine Woche nachdem der vorherige Bundespräsident HORST KÖHLER in einer Pressekonferenz seinen Rücktritt "mit sofortiger Wirkung" angekündigt hatte, habe ich mal in das Gästebuch des Bundespräsidialamtes geschaut. In den vorangegangenen Jahren hatten sich dort bis zum Rücktritt etwas über 2300 Einträge angesammelt, zuletzt von RALF WÜNSCHE am 30.5.2010 Bestürzung über die Interviewäußerung zur Verteidigungspolitik, dann explodierten die Wortmeldungen und bis zum 8.6. kamen schon 2000 Einträge hinzu:

Am 6.6. habe ich mich deshalb selbst zu Wort gemeldet.

Die Einträge werden gelesen und gelegentlich freigeschaltet. Um Spam zu vermeiden, ist das auch sinnvoll. Aber gerade wenn es um den ehemaligen Chef geht, ist die Auswahl der veröffentlichten Einträge vielleicht nicht ein proportionales Abbild der geschriebenen.

Aus den vielen Einträgen habe ich noch die wenigen ausgesucht, die wenig oder kein Verständnis für den Rücktritt zeigen. Sie geben nicht meine Meinung wider. Die Rechtschreibung habe ich nicht geändert. Aus dem Beitrag von MARTIN SCHMITZ, Magdeburg (1.6.) lerne ich, daß man mehr Chancen auf Veröffentlichung hat, wenn man bereits andeutet, daß die Meinung sowieso nicht erscheinen darf. Dann können Gästebuch- und KommentarseitenadministratorInnen leichter beweisen, wie tolerant sie sind. Ich will darüber aber nicht meckern, habe ich doch selbst hier bewußt kein Gästebuch eingerichtet.

Andrea Nahles

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Die SPD hat nach KOEHLERs Rücktritt eine andere Strategie eingeschlagen als bei den beiden Wahlen 2004 und 2009, bei denen sie dem nun zurückgetretenen Präsidenten GESINE SCHWAN entgegenstellte. Das finde ich immer noch recht geschickt, nur die kleinlichen Reaktionen auf das Verhalten der Linkspartei in der Bundesversammlung erscheint mir unpassend. Später hatte ich Gelegenheit, dies als Kommentar zu einem Artikel im Onlineauftritt des "Vorwärts" einzutragen. Das Parteiblatt der SPD hat meinen Kommentar veröffentlicht, was speziell im Vergleich zum Bundespräsidialamt sehr sympathisch und erfreulich ist. Umgekehrt muß ich mir dann auch Kritik gefallen lassen, diesmal berechtigte Kritik an meinem Stil.

Zur SPD-Taktik schrieb ich (ohne dafür angegriffen zu werden):

Womit ich die SPD verärgert habe, waren die vor der Bundespräsidentenwahl eingereichten Fragen an ANDREA NAHLES, an die ich erinnerte.

Ich gebe zu, das war nicht gerade höflich. So machte ich es KURT NICKEL leicht, mir zu entgegnen:

Schauen wir uns also die Sachebene an. Durch einen ungewöhnlichen Vorfall in Dresden - die aussichtslose NPD-Direktkandidatin war kurz vor der Bundestagswahl 2005 gestorben und konnte nicht mehr ersetzt werden, die Wahl mußte wiederholt werden, als überall sonst im Bundesgebiet schon ausgezählt war - wurde erstmals die Möglichkeit des negativen Stimmgewichts genutzt. Die CDU hatte in Sachsen mehr Direktmandate erworben, als ihr nach den Zweitstimmen für ihre Landesliste zustand, hätte sie auf der Landesliste noch etwas weniger Stimmen erhalten, wäre ihr rechnerisch auf Bundesebene für ihre Zweitstimmen zwar kein Mandat von einer anderen Partei abgenommen worden, aber innerhalb der ihr aufgrund der Zweitstimmen zustehenden Mandate hätte sich eine andere Verteilung zugunsten eines CDU-Landesverbandes ohne Überhangmandate ergeben. Sachsen hätte also den Anspruch auf ein Listenmandat abgegeben und ein anderer Landesverband ein Listenmandat wirklich hinzugewonnen durch absolut weniger Stimmen für die CDU bundesweit (aber nur in Sachsen). Bei der eigentlichen Bundestagswahl wußte das natürlich niemand, bei der Nachwahl aber wohl, und so konnte man dazu raten, die CDU nicht mit Zweitstimmen zu unterstützen. Es ging ja nur um Sachsen, wo alle Unionsabgeordneten als Direktkandidaten gewählt wurden. Und darum kann man ja separat kämpfen. Das BVerfG hat dies am 3.7.2008 für verfassungswidrig erklärt, aber eine großzügige Frist zur Wahlrechtsänderung eingeräumt, von der die Union im Bundestag Gebrauch machen wollte, denn sie versprach sich bei der Bundestagswahl 2009 viele Direktmandate und damit auch einige Überhangmandate in Ostdeutschland, wo ihr meist eine kleinere Linkspartei und eine noch kleinere SPD gegenüberstehen, die es schwer haben, Direktmandate zu gewinnen.

Bei früheren Bundestagswahlen hatte eher die SPD Überhangmandate. Das würde sich bald ändern, und es wäre in ihrem Interesse gewesen, die vom Verfassungsgericht geforderte Änderung schon vor der Bundestagswahl von 2009 zu verabschieden. Die beiden (oder drei) Parteien der großen Koalition hatten also entgegengesetzte Interessen und haben sich erwartungsgemäß nicht geeinigt. Nach Koalitionsvertrag sollte aber nur gemeinsam abgestimmt werden. Bündnis90/Grüne hat gleichwohl versucht, mit einem eigenen Vorschlag das Wahlrecht zu ändern. Diesmal war die SPD dem Koalitionsvertrag treu (ich habe an anderer Stelle bedauert, daß sie sich in NRW über die Vereinbarung mit den Grünen hinweggesetzt und einfach den Dortmunder Flughafen gefördert hat) und hat zwar die grünen Vorschläge befürwortet, in der namentlichen Abstimmung aber nicht unterstützt. Es gehört sich wirklich nicht, den Koalitionsvertrag zu brechen. Dafür von der Kanzlerin kurz vor Ende der Legislaturperiode vor die Tür gesetzt zu werden, hätte man aber vielleicht in Kauf nehmen müssen. Politisch war nicht mehr viel zu erledigen oder zu verlieren. Für die SPD begründete KLAUS-UWE BENNETER die Haltung der Partei:

Die Abläufe stellte der Redner so dar:

Für Bündnis90/Grüne entgegnete WOLFGANG WIELAND:

Aber verhindern konnte er es auch nicht. Und daß nun ausgerechnet vor der Bundesversammlung die neue Harmonie der beiden Oppositionsparteien dadurch getrübt wurde, daß die Grünen nochmal an die knapp ein Jahr zurückliegende Debatte erinnerten, habe ich auch nicht bemerkt.

Hier das Abstimmungsergebnis (beschränkt auf die SPD)

Georg Schramm

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Am 9.6. verkündete der Kabarettist GEORG SCHRAMM, Bundespräsident werden und der Oberschicht beim Sommerfest unbequeme Wahrheiten sagen zu wollen:

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